Black Hat Day - Einige Gedanken zu Terry Pratchett, Some Thoughts on Terry Pratchett

(English version below)

Sir Terry Pratchett ist vor nicht einmal zwei Monaten am 12. März verstorben und am heutigen Dienstag, den 28. April – seinem Geburtstag – gedenken ihm seine Fans weltweit. Mit ihm ist jemand verstorben, den ich zwar einige wenige male getroffen habe, den ich jedoch nicht das Privileg hatte, tatsächlich zu kennen. Dennoch hat dieser kauzige Mann mit dem schwarzen Fedora mein Leben so nachhaltig geprägt wie kaum jemand außerhalb meines engsten Kreises. Hätte ich die Bücher von Terry nicht gehabt, wäre mein Leben ein ärmeres gewesen. Es wäre ärmer um all die vielen Lacher und schönen Momente, die ich als Jugendlicher und junger Erwachsener auf der Scheibenwelt verbracht habe und die ich immer wieder gerne durchlebe. Es wäre ärmer gewesen um all die vielen lieben Freunde, die ich durch die Fan-Community kennenlernen durfte und die mich eben so sehr prägten, wie der Meister selbst. Gerade diese Gleichgesinnten gaben mir ein Gemeinschaftsgefühl, das ich sonst nur in Musikerkreisen wiederfinden sollte. Als Jugendlicher fühlte ich mich oft als Außenseiter, da ich die meisten Dinge nicht als wichtig empfand, die meine Altersgenossen als solches einstuften. Ich fand Lesen spannender, als in einer Gruppe von Jungs den gerade erblühenden Damen hinterher zu spannen; konnte mit dem abwechslungsreichen Humor der Scheibenwelt mehr anfangen als mit den Ficken-Witzen deutscher Comedians und war dem, wie es mir damals erschien, Geschmackseinheitsbrei vieler meiner Klassenkameraden gegenüber eher skeptisch eingestellt. In die Gruppen passte ich nie so richtig hinein. Für die Computer-Nerds war ich nicht versiert genug im Umgang mit PCs, für die anderen Gruppen war ich nicht cool genug. Die Romane von Terry gaben mir aber immer eine Zuflucht und zwar nicht nur, weil sie die graue Alltagswelt herrlich persiflierten. Terrys Werk allein aufgrund seiner eskapistischen und satirischen Qualitäten wertzuschätzen, wäre sehr einseitig. Denn das Schöne an diesen Büchern ist, dass sie Leute zusammenführen, was sie sicher auch in Zukunft tun werden. Durch die Community des deutschsprachigen Pratchett-Fanclubs und der Stadtwache – einer Online-Schreib-Community –, sowie durch die englischen Conventions lernte ich Leute kennen, die alle vollkommen unterschiedlich sind, aber die eines eint: die Liebe zu Terrys Romanen. Das Schöne an diesen Treffen ist vor allem die atemberaubende Bandbreite an Leuten, die man dort trifft. Ganz gleich welche Religion oder Hautfarbe du hast, ob du dick oder dünn, ansehnlich oder...interessant anzuschauen bist, die Pratchett-Fans heißen dich willkommen, mit einer warmherzigen Offenheit, wie man sie auch in den Romanen findet. Diese gelebte Toleranz ist es, was die Conventions und Zusammenkünfte dieser umherziehenden Irren zu solch horizonterweiternden Ereignissen macht. Und gerade diese fruchtbringende Atmosphäre ist es, die mich in viele Richtungen gestoßen hat, in die ich sonst vielleicht nie gegangen wäre. Hätte ich nicht mit einigen lieben Freunden ein Scheibenwelt-Rollenspiel* Wochenende gemacht, hätte ich nie das Mixtape von Marko gehört, auf dem sich einige Songs von Paddy Goes to Holyhead befanden, was letztlich meine Folk-Karriere lostrat. Hätte ich nicht auch immer viele Pratchett-Freunde zu meinen Geburtstagen eingeladen, wäre mein altes Projekt "Heiter bis Folkig" mit meinem lieben Freund Christian nie gegründet worden. Hätte ich nicht versucht, ein Pratchett Theaterstück auf die Beine zu stellen, wäre ich nie meinem besten Freund (und späteren Trauzeugen) Danjal begegnet. Die Liste von Namen ließe sich endlos fortsetzen und doch kommen sie immer wieder auf diesen großartigen Autoren zurück, der mich in meinem Denken und Handeln immer noch stark beeinflusst. Ich kannte ihn kaum, aber er war sicherlich nicht immer der fröhliche Clown, den er gerne auf Conventions mimte, mit einem pfiffigen Spruch nach dem anderen und allen Lachern auf seiner Seite (bzw. seinen Seiten). Manchmal blitzte der Zorn durch, der seine Bücher speiste, wenn er sich über Ungerechtigkeit oder die menschliche Dummheit äußerte, was Neil Gaiman in seinem Vorwort zu 'A Slip Of The Keyboard' wunderschön beschreibt. Doch wenn ich Terry sah, saß ihm meist der Schalk im Nacken und er war lediglich genervt, wenn man ihn mit Mr oder gar Sir ansprach. Zu mir meinte er mal, das sei vor allem ein deutsches Problem, wobei er mir als Deutschem sogar einmal ein sehr gutes Englisch attestierte. Ich hatte gerade auf einer der Conventions eine kurze Rolle in einem Impro-Stück übernommen, in der ich mit aufgesetztem deutschen Akzent sprach, und stand nun vor ihm zum Signieren meines Lieblingsromanes Small Gods, als er meinte: "Sebastian, is it? Could you please go back to speaking in that ridiculous German accent? Because it puts an Englishman really off if someone foreign speaks proper English." (Sinngemäß: Sebastian, nicht wahr? Würdest du bitte wieder mit diesem lächerlichen deutschen Akzent sprechen? Es verleidet einem Engländer nämlich alles, wenn jemand aus dem Ausland ein anständiges Englisch spricht.) Diese Anekdote hat schon manchem ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert und ich erinnere mich heute noch gerne daran. Es gäbe noch mehr solcher kleiner Geschichten von mir und anderen Fans, doch soll es nur eines verdeutlichen: Terry war vorbildlich im Umgang mit seinen Fans. Wie konnten wir es dann nicht ebenfalls sein? Bei all den Events habe ich nie einen heftigen Streit erlebt, nie Gewalt, oder ähnliches (wobei das die Organisations-Teams sicher anders wahrgenommen haben ;)). Wohl auch, weil Terry es uns vorlebte, wie man respektvoll miteinander umzugehen hat. Auch wenn er keine Lust hatte, das x-te Foto mit jemandem zu schießen, oder das eintausendste Buch zu signieren, er hatte immer ein freundliches Wort...oder zumindest einen witzigen, sarkastischen Spruch auf Lager. Das ist etwas, von dem sich manche Pseudo-Berühmtheit eine Scheibe abschneiden könnte...bzw. am besten gleich eine ganze Scheibenwelt.

 

 

In diesem Sinne erhebe ich mein Glas auf einen der größten Autoren unserer Zeit. Möge sein Ouevre auch in Zukunft Gleichgesinnte zusammenführen. Denn niemand ist wirklich tot, solange sein Name weiterhin ausgesprochen wird, wie Terry sagte.

 

Ruhe in Frieden Sir Terry Pratchett! Danke für Alles!

 

* Pen & Paper, bevor ihr auf seltsame Gedanken kommt.

 

           
Hier habe ich meine Gedanken auch mal in Verse gekleidet, falls ihr es noch nicht kennen solltet.

   

Sir Terry Pratchett died not even two months ago on March 12th and today on the 28th of April – his birthday – fans around the world commemorate his legacy. Although I met Terry a few times I can hardly say that I knew him. Yet, he has probably been the most influental person for me, bar those closest to me. Without his books my life would be poorer indeed. Poorer for all the funny and delightful times I spent delving in Discworld. Poorer for each and every one of the great friends I made at the gathering of fans who have influenced me just as much as the great man himself. The sense of community I got from being with my fellow loonies has only been equalled by my musical colleagues. When I was at school I always felt a bit left out**, as I did not bestow gravitas on the stuff my fellow students thought important. I found reading more interesting than getting together in little groups and gawping at the blossoming lasses; the simple bawdy humour of most German comedians popular at the time wasn't my cup of tea, unlike tha multi-facetted wit of the Discworld novels. Simply put, I did not feel at home with most people and did not enjoy what most people liked. I also never really fitted in cliques, being not nerdy enough for the nerds and not cool enough for all the rest. Terry's novels thus were a safe harbour – not just because they poked fun at the grey mundane world I despised. To just highlight the escapist and satirical qualities of his ouevre would be short-sighted indeed as I think the main quality of his works is that they bring like-minded people together. Through the various Pratchett communities (like the German fanclub or the fanfiction platform Stadtwache) and at numerous Discworld conventions I have made many a friend for life and had many life-changing experiences. If I hadn't met up for a weekend of Discworld Roleplaying Games*** I would not have listened to Marko's mixtape which contained a few songs by German folk-rock band Paddy Goes to Holyhead...and that got me started on the musical journey I am still on. Had I not invited many Pratchett fans to my birthday parties I might have never founded my former band Heiter bis Folkig with my dear friend Christian. Had I not tried to put on a Pratchett play I would never have met my best mate (and later best man) Danjal. I could continue the list for days on end I'm sure, but it all comes down to this one quaint man in a black Fedora that has hugely influenced my thinking and my actions and still does. I hardly knew him but I think he wasn't the jolly old man he often mimed at conventions, witticisms flying high and low and getting all the laughs. Sometimes the rage shone through. Rage at injustice in this world and the stupidity of mankind. The rage that fuelled all of his books as Neil Gaiman has movingly put in his foreword to 'A Slip of the Keyboard'. But whenever I saw Terry his mischievous nature was quite clear. One thing that bugged him when I first met him, though, was when fans called him Mr. or Sir, which he assured me was a huge problem for Germans, mostly. He did say something nice about my English nonetheless, despite me being a Kraut. Shortly after I had made a fool of myself in a little improvised play, donning a fake over-the-top German accent, I was in the queue to get my copy of Small Gods – my favourite Discworld novel – signed, when Terry said: "Sebastian is it? Could you please switch back to that ridiculous German accent? Because it puts an Englishman really off if someone foreign speaks proper English." That nice little anecdote always makes me smile and put a few smiles on other faces as well. I could share loads of these little stories with you but the point I take home from each of them is that Terry knew how to deal with his fans in a respectful manner. I'm sure he was sick to take the umpteenth picture with someone or sign yet another copy of one of his books but he always had a smile and...if not some warm words at least some snarky wit. With this man as an example, how could his fans be different? How could they not be living and breathing proof of how tolerance towards others really works? No matter what you believe in, what colour your hair or skin is, if you are fair or...interesting to look at, the Discworld family has always room for yet another dis(c)functional member. The sheer variety of people you meet at a Pratchett gathering is mind-boggling and broadens your horizon vastly. I am sure this will continue, although Terry is no longer with us in person. After all, he is not gone for good...because a man is never truly dead while his name is still spoken, as he himself once said.

 

Thus I raise my glass to one of the most brilliant minds of our time. Thank you, Sir Terry Pratchett...for everything.

 

** I just feel left these days.

*** The pen & paper kind, mind...we don't want any imaginations running wild, ok?
 

I have put some of my ramblings to music, in case you haven't heard it.